Segelerlebnisse / TörnberichteBoot 2018 Besuch

Besuch der Boot 2018

Design und Schein oder eine Yacht zum Segeln?

von Skipper Kay

Die Wintermonate nutzen wir u.a. um unsere Yachten auf die kommende Saison optimal vorzubereiten. Dafür wird eine „To do Liste“ sowie eine Ersatzteilliste erstellt. So manches Ersatzteil kann man aber nicht über den Katalog bestellen, da es zu speziell ist oder bereits vom Hersteller ersetzt wurde. So ist es notwendig, die Hersteller direkt zu kontaktieren und ein Messebesuch ist die ideale Gelegenheit dafür. „Die Boot“ in Düsseldorf, die weltgrößte Messe für den Wassersport, versammelt alle namhaften Hersteller für Boote und Bootszubehör. Nachdem ich knapp zwei Tage damit verbracht habe, unsere Liste abzuarbeiten, hatte ich noch etwas Zeit mich bei den Segelyachten umzuschauen. Uns interessieren Segelyachten in der Größenordnung 44 bis 50 Fuß und auf dieser Messe werden auch die großen Yachten aufgebaut und ausgestellt mit der Möglichkeit diese zu besichtigen. Ich war neugierig, was Neues angeboten wird und was sich im Serienyachtbau so tut.

Für viele Chartergäste ist das Baujahr ein Kriterium, um eine Yacht zu chartern. Diese Überlegung ist auch richtig, da man davon ausgehen kann, dass Yachten älteren Datums entsprechend öfter gebucht wurden, mehr Verschleiß erfahren haben und daher nicht mehr ganz so schick sind. Daher sind die Vercharterer bestrebt, möglichst junge Yachten im Bestand zu haben und anzubieten. Da unsere Yachten inzwischen auch nicht mehr ganz jung sind, überlegen wir schon seit einigen Jahren, diese auszutauschen gegen neue Schiffe.

Yachten gebaut für den Hafen?

So bin ich also hin zu den Anbietern der Serienyachten im Kopf mit meinem Anforderungskatalog an eine neue Segelyacht für uns. Das Ergebnis war ernüchternd. Der erste Eindruck: Bei den Serienyachten, welche für den Charter-Betrieb gebaut werden, da steht das Design über der Gebrauchsfähigkeit und Seetüchtigkeit. Allein beim Anblick des Deckslayouts liegt die Vermutung nahe, dass man den Hafen oder eine Ankerbucht kaum verlassen sollte. Für uns im Ausbildungsbereich völlig ungeeignet zum Bsp. die Anordnung der Winschen. Diese sind so positioniert, dass man maximalen Platz auf Sitzbänken hat und dafür die Bewegungsmöglichkeit an der Winsch sehr eingeschränkt ist. Möglichst nicht benutzen, scheint hier das Motto zu sein.

Frischwassertanks sind völlig unterdimensioniert und haben im Durchschnitt eine Kapazität 250 l, das bei 8 Kojen bzw. 8 Personen an Bord. Nach unserer Auffassung viel zu wenig und nur dann ausreichend , wenn man jeden Abend in den Hafen oder die Marina geht.

Wer benötigt denn schon eine Seekarte?

Ein weiteres „ Highlight“ ist die Aufteilung und Anordnung unter Deck. Navigationsecken gehören der Vergangenheit an, wer benötigt schon noch eine Seekarte? Funkgeräte werden irgendwo in die Ecke gequetscht Das Raumangebot im Salon und z.T. in den Naßzellen ist sehr großzügig. Dieser Platz fehlt natürlich in den Kabinen. Stellt sich die Frage, wohin mit dem Gepäck? Und wer möchte dann in einer Doppelkabine schlafen, wenn die Schulterbreite zusammen max. 1,40 m beträgt und die Koje zu den Füssen hin sich stark verjüngt? Häufig bekommt man auch den Eindruck, dass die Verkleidungen und das Mobiliar aus dem Hause eines Billiganbieters für Möbel stammen und versehentlich in eine doch recht teure Yacht gelangt sind. Hier würde ich die verantwortlichen Designer einfach mal auf einen 2-wöchigen Törn mitnehmen! Aber vielleicht sind diese auch nur an Vorgaben gebunden von … , ja von wem kommen diese? Kaufleute, die noch nie in ihren eigenen Schiffen unterwegs waren?

Design und Schein oder eine Yacht zum Segeln?

Bisher habe ich noch nichts zum eigentlichen Zweck einer Segelyacht gesagt, dem Segeln und den dafür nötigen Dingen. Fast durchgängig werden die Schiffe mit Selbstwendefock angeboten. Vorsegel mit vernünftiger Größe sind, wenn überhaupt möglich, nur gegen Aufpreis zu erhalten. Es gibt kaum noch Sitzgelegenheiten für den Steuermann, auf  denen man es bei längeren Schlägen auch aushält. Stattdessen immer nur quer zur Kiellinie auf der hohen Kante. Es gibt keine Stützhölzer, auf die man sich bei Lage stellen und abstützen kann, wenn man am Steuer steht usw. usw.!

Diese Überlegungen lassen sich leicht mit vielen Beispielen fortführen. Zusammenfassend läßt sich sagen, auf dem Neumarkt gibt es momentan keine Yachten im mittleren Preissegment, welche unseren Anforderungen entsprechen. Diese Entwicklung, weg vom durchdachten, gebrauchsfähigen und stabilen Schiff, hin zu „Design und Schein“ bei schlechten Gebrauchseigenschaften, diese Entwicklung kann man spätestens seit dem Jahr 2008 verfolgen. Warum das so ist, kann man leicht verstehen, wenn man die gewaltigen Veränderungen in den Strukturen und Besitzverhältnissen der großen Yachthersteller um dieses Jahr herum kennt. Eine große Rolle hat vermutlich auch die große Finanzkrise jener Zeit gespielt.

Wie auch immer, wir behalten somit unsere Yachten mit älterem Baujahr. Wir werden diese weiter pflegen und hegen – werden alles tun, dass sie in Schuss sind. Denn vermutlich kommt die nächsten Jahre nichts Besseres nach. Die Hoffnung, dass sich die Werften wieder auf Seetüchtigkeit und gute Segeleigenschaften, Tauglichkeit usw. besinnen, hat sich nach diesem Messebesuch erstmal wieder erledigt.

© Club Nautique GmbH 2018