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Warum das Mittelmeer so salzig schmeckt und die Phönizier die Säulen de Herakles bezwangen

von Skipper Olaf

Die Tatsache, dass das Mittelmeer einen recht hohen Salzgehalt hat, stößt bei unseren Mitseglern häufig auf Erstaunen. Viele meinen, je größer das Meer bzw. der Ozean, umso höher der Salzgehalt. Vielleicht liegt das daran, dass die Kenntnis um den niedrigen Salzanteil in der Ostsee bei uns Deutschen weit verbreitet ist. Die Ostsee als kleines Binnenmeer hat eher Brackwasser. Die größere Nordsee bzw. der Atlantik schmecken da schon ganz anders. Dass jedoch das Mittelmeer, welches ein fast abgeschlossenes Meer darstellt, in allem Belangen Hochseecharakter hat und der Salzwassergehalt sogar noch höher ist als z.B. der des Atlantiks, verwundert viele.

Warum schmeckt das Mittelmeer so salzig

Die Erklärung dafür ist recht einfach und überzeugt sofort. Die Verdunstungsrate ist wesentlich höher, als der Zufluss durch die Flüsse, die in das Mittelmeer münden. Das liegt zum einen an den viel häufigeren und intensiveren Sonnentagen. Zum anderen gibt es recht häufig sehr trockene Nordwestwinde, die über das Meer streichen und viel Wasser aufnehmen. Dieser Wasserverlust würde eigentlich schnell zu einem Absinken des Meerespegels führen. Da das Mittelmeer jedoch kein komplett abgeschlossenes Meer ist, strömen vor allem aus dem Atlantik über die Straße von Gibraltar große Wassermengen in das Mittelmeer ein. Dieses Wasser ist natürlich salzhaltig. Wenn das Süßwasser der Flüsse das verdunstende Wasser nicht auffüllen kann und stattdessen Salzwasser nachströmen muss, dann ist klar, dass der Salzgehalt relativ hoch ist. Das einströmende Salzwasser aus dem Atlantik führt dazu, dass es eine starke Oberflächenströmung von West nach Ost gibt, die bis weit in das östliche Mittelmeer reicht. Auf dem Weg dahin verdunstet weiter Wasser. Das Salz aber bleibt im Meer und so steigt von West nach Ost auch der Salzgehalt im Mittelmeer. Wer also unsicher schwimmt und dieses lernen möchte, für den ist das Mittelmeer der ideale Platz, um schwimmen zu lernen. Salzwasser trägt wesentlich besser, als das Süßwasser der heimischen Bäder und Seen.

Wasserkreislauf

Nun wird es richtig spannend. Salzwasser mit einem hohen Salzgehalt hat eine höher Dichte, als solches mit niedrigerem Salzgehalt oder gar Süßwasser. Deswegen trägt es besser und man schwimmt darin besser oder leichter. Deswegen gibt es z.B. an den Handelsschiffen auch die verschiedenen Freibordmarkierungen an der Mitte des Schiffes, die anzeigen, wie weit ein Schiff beladen werden kann, wie weit es eintauchen darf. So darf ein Schiff, wenn es nur im Mittelmeer unterwegs ist, weit mehr beladen werden, als z.B. in der Ostsee. Ein weiterer Effekt ist, dass das Wasser mit hohem Salzgehalt und somit hoher Dichte auch schwerer wird. Das führt dazu, dass im östlichen Mittelmeer große Mengen des relativ hoch konzentrierten Salzwassers abtauchen in die Tiefe. Da immer weiteres Wasser nachströmt hinein in die Tiefe, hat sich eine Tiefenströmung in entgegengesetzter Richtung herausgebildet – von Ost nach West. Es gibt also einen Kreislauf! Auf Grund der relativ hohen Verdunstung strömt aus dem Atlantik Oberflächenwasser in das Mittelmeer, dringt weit nach Osten vor, wird dabei salzhaltiger und sinkt dann in die Tiefe ab. Dort strömt es zurück Richtung Westen und fällt über die Schwelle bei Gibraltar hinunter in die Tiefen des Atlantik.

Wie die Phönizier die Säulen des Herakles bezwangen

Wer nun schon mal durch die Straße von Gibraltar gefahren ist, weiß, dass es mühsam ist, sich gegen den Oberflächenstrom hinaus in den Atlantik zu kämpfen, zumal häufige Westwinde diese Vorhaben weiter erschweren. Oft bleibt nur die Taktik, dicht unter Land den Neerstrom zu nutzen und den Motor zu Hilfe zu nehmen. Mit diesem Problem hatten auch schon die Seefahrer der Antike zu kämpfen, weshalb die Säulen des Herakles als das Ende der Welt, als das non plus Ultra, bis hierher und nicht weiter, bezeichnet wurden. Gemeint ist damit natürlich die Straße von Gibraltar, welche von den beiden Gebirgen auf spanischer und marokkanischer Seite, also den Säulen des Herakles, eingefasst wird. Lediglich die Phönizier schafften es regelmäßig diese Hürde zu überwinden, in den Atlantik hinaus zu segeln und sogar Kolonien an der spanischen, portugiesischen und marokkanischen Atlantikküste zu gründen. Wahrscheinlich haben die Phönizier bereits um diese Tiefenströmungen gewusst und Segel in die Tiefe abgelassen, um sich mit der Tiefenströmung hinaus in den Atlantik ziehen zu lassen. Auf jeden Fall ist es enorm, was unsere Altvorderen bereits geleistet haben, konnten und wussten. Nicht zuletzt diesem Wissen war es zu verdanken, dass die Phönizier lange Zeit die Handelsrouten rund um das Mittelmeer dominiert haben und die Händler der frühen Antike waren.

Es gibt noch viele unglaubliche Geschichten rund um das Mittelmeer und die Seefahrt zu entdecken und zu erfahren. Demnächst vielleicht eine weitere Mittelmeergeschichte hier oder besser noch auf einem unserer Törns beim abendlichen Klönen an Bord.

Wasserbilanz des Mittelmeeres

                 + 10 000 Kubikmeter                     Flusswasser pro Sekunde

                + 25 000 Kubikmeter                     Niederschlag pro Sekunde

                + 1100 000 Kubikmeter                 Atlantikwasser pro Sekunde

                – 110 000 Kubikmeter                    Wasser verdunsten pro Sekunde

                – 1 050 000 Kubikmeter                 Ausstrom in den Atlantik pro Sekunde

(Quelle: Schröter, Lorenz: „Das kleine Kielschwein: Ein Handbuch allererster Kajüte“, Gebundene Ausgabe – 1. November 2006)

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