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Über die „Schwimmweste“

Sehr häufig wird bei Einweisungen vor den Törns oder auch bei Aufzählungen zu den Rettungsmitteln die „Schwimmweste“ genannt. Um es gleich vorweg zu nehmen, natürlich ist damit meist die Rettungsweste gemeint. Wer einmal eine Rettungsweste tatsächlich ausprobiert hat und hier vor allem die automatische Rettungsweste, der wird bestätigen, dass sich diese kaum zum Schwimmen eignet. Vielmehr soll diese tatsächlich den Kopf möglichst in jeder Lage über Wasser halten, also das Luftholen ermöglichen und damit retten. Für das Schwimmen oder zur Fortbewegung im Wasser ist die Weste eher nicht gedacht. Aber auch wenn man sich die Rettungsweste wirklich als solche denkt, gibt es noch einige Bemerkungen zu machen.

Ich erinnere mich dabei immer mal wieder an einen Törn, den wir vor einigen Jahren Ende Oktober, Anfang November im Tyrrhenischen Meer gemacht haben. Es war ein typischer Absegeltörn zum Abschluss einer Saison. Diese Törns sind recht beliebt, da die Häfen leer, auf dem Mittelmeer meist doch noch angenehme Temperaturen, keine feste Törnroute, sondern vielmehr schlägt der Wind die Richtung vor und die Rückkehr ist nicht zwingend auf einen Termin festgelegt. Es wartet ja keine Nachfolgecrew. Normal ist auch etwas mehr Wind als gewöhnlich zu erwarten, worauf die in der Regel schon etwas erfahrenen Mitsegler reflektieren. So auch bei diesem Törn, nur dass es uns diesmal richtig erwischt hat. Die ganze Zeit auf der Strecke von der Toskana nach Bonifacio, dann nach Sardinien und von Sardinien nach Ponza , weit draußen vor dem Golf von Neapel, war das Wetter perfekt und der Wind gut ohne anstrengend zu sein. Als wir dann aber auf der Schlussetappe von Ponza zurück nach Porto S. Stefano unterwegs waren, haben wir doch noch einen richtigen WNW erwischt mit ca. 8- 9 Bft, bei diesem Kurs also hart am Wind. Gestartet waren wir in Ponza am Vormittag und konnten noch während des Tages bei 4 bis 5 Bft gut vorankommen. Auch der Seegang hielt sich in Grenzen.

Mit einsetzender Dunkelheit frischte der Wind zunehmend auf und die See wurde ruppiger. Also war weiteres Reffen angesagt. Dazu musste man auf diesem Schiff, einer Jeaneau 44, an den Mast gehen, um das entsprechende Reff des Großsegels mit der Kausch in den Kauschhaken einzuhängen und mit Hilfe der Reffbändsel und Zeisinge das Segel aufzutuchen und zu sichern. An und für sich keine schwierige Sache, aber bei dem sich schüttelnden und stampfenden Schiff in der immer grober werdenden See keine lustige Situation. Wir hatten uns aber vorbereitet und an Deck Sorgleinen gespannt, in die wir uns mit der Lifeline der Rettungsweste einpicken konnten. Also sind wir in die dunkle Nacht nach vorn an den Mast „getanzt“, das Segel runter nehmen, die Kausch einhängen, Großfall durchsetzen – alles so, wie vielfach geübt! Inzwischen hatte uns noch ein anständiges Gewitter besucht mit ordentlich Regen und vielfachen Blitzen. Als wir nun gerade dabei waren das Segel aufzutuchen, gab es einen extrem hellen Blitz in unserer Nähe gefolgt von einem Donner. Während dieses kurzen Aufleuchten des Blitzes sah ich Kay nicht mehr an Deck stehen, sondern außerhalb des Schiffes, hinter der Reling auf einer Welle stehen!! Die Augen weit geöffnet und erstaunter Blick. Bevor ich begreifen konnte was ich sah, war es wieder stockdunkel, Regen, viel Wind und das heftig arbeitende Schiff. Was war denn das eben? Eine Fata Morgana oder tatsächlich Kay über Bord?? Der Ruf „Mann über Bord„ gegen die schreiende See und den pfeifenden Wind sollte gerade rausgehen – da ein nächster Blitz und mir gegenüber am Baum steht Kay, klammert sich fest und schaut immer noch völlig verwundert. Was war das? Kein Mann über Bord, eine Sinnestäuschung, welch große Erleichterung? Und schon wieder stockdunkel. Nachdem wir die Arbeiten abgeschlossen hatten, zurück in die Plicht, erstmal Luft geholt und dann die Frage- Was war geschehen??

Tatsächlich wurde Kay durch eine besonders heftige Welle oder einen Seeschlag von Deck gewischt, so dass er sich schon außerhalb der Yacht befand. Glücklicherweise (oder war es besser professionell, sorgsam und korrekt) hatte er am Tragegestell der Rettungsweste die ca. 2 m lange Lifeline eingehängt und diese am Schiff eingepickt. So wurde er zwar von Deck heruntergeschleudert, so dass er quasi stehend leicht außerhalb der Reling auf dem Wasser zu schweben schien, jedoch wurde er durch die Verbindung über die Sicherungsleine zum Schiff bei der folgenden Gegenbewegung der Yacht mitgerissen und landete wieder an Deck direkt an seinem vorherigen Platz.

Oft muss ich mich an diesen Törn und diese Nacht erinnern und denke so bei mir: wenn er tatsächlich über Bord gegangen wäre, so glaube ich nicht, dass wir große Chancen gehabt hätten Kay wieder zu finden – auch mit voll funktionierender und modernster vollautomatischer Rettungsweste. Selbst wenn wir ihn gefunden hätten, ihn dann wieder an Bord zu bekommen in stürmischer See mit schweren nassen Ölzeug – schwierig, sehr schwierig. Viel wichtiger ist es nicht über Bord zu gehen. Darauf sollte viel mehr Wert gelegt werden!! Die 2 m lange Lifeleine samt Tragegurt haben für mich einen viel höheren Stellenwert als eine Rettungsweste. Daher meine Empfehlung, wenn Ihr auf Törn geht und eine Yacht chartert, achtet nicht nur auf die Rettungswesten, sondern legt Wert darauf, dass Ihr Euch mit diesen auch an Bord sichern könnt.

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